Moin Kambodscha! Am 30. Oktober wurden wir morgens sehr früh von einem Minivan abgeholt. Unser Gastgeber vom 3 Tree Guest House hatte für uns einen kompletten Transfer von Koh Chang bis nach Siem Reap in Kambodscha organisiert. Es gab wohl nur einen einzigen Anbieter und wir bereuten es, dessen Bewertungen noch vor unserer Abfahrt überprüft zu haben. Stabile 1,5 von 5 Sternen auf Google – da konnte ja nichts mehr schiefgehen. Wir bekamen Aufkleber auf die Brust und es wurden Fotos von uns gemacht. Die Fotos brauchten sie wohl, damit wir an der Grenze von den richtigen Leuten eingesammelt werden. Mit dem Minivan ging es zunächst auf die andere Seite der Insel und wir sammelten noch vier weitere Mitfahrer ein. Zwei von ihnen rochen so sehr nach Marihuana, dass wir uns fast high fühlten, morgens um 6. Wir setzten mit dem Minivan per Autofähre zum Festland über und waren auf einmal nur noch zu zweit im Fahrzeug. Die anderen machten wohl nur einen Visa Run und wurden auf andere Autos verteilt. Bis zur Grenze hatten wir also einen sehr entspannten Privattransfer, konnten Pausen machen wann wir wollten und unendliche Beinfreiheit genießen. Wir sahen auf dem Weg eine riesige Kobra auf der Straße, die wohl angefahren wurde und um ihr Leben kämpfte, einige Elefanten (leider unfrei) und schöne Landschaften. Ansonsten war die Fahrt ruhig.
In der Grenzstadt angekommen, wurden wir von einem Herren eingesammelt, der uns erst einmal zum Mittagessen brachte. Er wollte dann unsere Pässe und Passbilder haben, um uns ein Visum zu organisieren. Es war unser erster Grenzübergang in Südostasien über Land, aber wir hatten uns gut vorbereitet. Wir wussten, dass der Schieber wahrscheinlich etwas mehr Geld verlangen würde, als wenn wir alles selber machen würden, im zweiten Fall wohl aber auch deutlich länger warten müssten. Daher entschieden wir uns für die bequeme Variante und genossen unser Pad Thai, während der Kerl mit den Pässen von dannen zog. Keine 20 Minuten später war er zurück, wir zahlten pro Visum 40 USD und konnten uns auf den Weg machen.
Der Weg führte uns nach einigen hundert Metern durch die Stadt in eine Art Unterführung, die an einen ranzigen U-Bahn-Tunnel erinnerte. Dann kamen wir in ein Gebäude mit Schaltern, wo unsere Pässe abgestempelt wurden. Wir dachten uns, das ging ja mega flott, gar nicht so dramatisch, wie man teilweise gelesen hatte. Bis wir feststellten, dass wir lediglich die Ausreise aus Thailand hinter uns gebracht hatten und uns gerade im Niemandsland zwischen Thailand und Kambodscha befanden. Das war nicht zuletzt daran zu erkennen, dass auf der Straße tonnenweise Zigaretten und anderer Kram verkauft wurde, der dort wohl steuerfrei war. Also auf in das nächste Grenzgebäude, wo wir eine knappe Stunde anstehen durften. Die Einreise selbst war unspektakulär und wir landeten dann in einer Wartehalle, wo uns ein Mann vom Transportunternehmen erwartete. Er hielt uns ein Foto von uns selbst am Morgen auf Koh Chang unter die Nase. Wir freuten uns schon, dass es wohl direkt weitergehen würde, doch er meinte zu uns, wir müssten noch ein wenig warten. Aus dem wenig wurden gute zwei Stunden. In dieser Zeit konnten wir das Treiben in der Wartehalle beobachten. Die Schieber waren vornehm gekleidet und waren an einer Umhängetasche zu erkennen. Sie kassierten hier ganz öffentlich das zusätzliche Geld von den Menschen, die keine Lust hatten, sich selbst mit ihren Pässen anzustellen, direkt daneben liefen die offiziellen Grenzbeamten von A nach B.
Schließlich brachte er uns zu Fuß einen Kilometer weiter, wo wir dann auch nochmal eine knappe Stunde warteten, bis sich der Minivan endlich auf den Weg machte. Bis dato gab es wohl noch nicht ausreichend Passagiere, um loszufahren. Die erste Verwirrung – in Kambodscha herrschte im Gegensatz zu Thailand wieder Rechtsverkehr. Der Van war sicher älter als wir und der Fahrer bewies wenig Geschick mit der Gangschaltung, Anschnallgurte Fehlanzeige. Die Fahrt nach Siem Reap dauerte ca. vier Stunden. Wir legten eine Pause ein und hier wurde direkt die erste Passagierin unseres Vans beim Geld tauschen abgezogen. Unser Fahrer kühlte währenddessen den Van, was doch eher beunruhigend aussah. Er öffnete die Motorhaube, schnappte sich einen Eimer und kippte einfach mehrfach Wasser hinein. Der Fahrstil war angsteinflößend und das Ganze wurde mit zunehmender Dunkelheit und einsetzendem Regen nicht besser.
Irgendwann hatten wir es dann nach Siem Reap geschafft und wurden etwas außerhalb des Stadtzentrums abgesetzt, wo zahlreiche Tuk-Tuk-Fahrer auf uns warteten. Angeblich sollte der Transport bis zur Unterkunft inkludiert sein. Die Masche war aber – man kauft entweder eine Tour zu Angkor Wat bei dem Fahrer oder zahlt einen sehr hohen Preis für die paar verbleibenden Kilometer. Wir hatten glücklicherweise Internet und konnten bei Grab nach vergleichbaren Fahrten samt Preisen schauen und mussten uns daher nicht über den Tisch ziehen lassen. Gegen 20 Uhr kamen wir dann endlich in unserer Unterkunft an, wo uns eine sympathische ältere Dame begrüßte. Wir bezogen unser super schönes Zimmer und ließen uns noch etwas zu essen kochen, bis wir völlig erledigt ins Bett fielen.
Am folgenden Tag schliefen wir aus und suchten uns ein schönes Café zum frühstücken. Wir organisierten SIM Karten und planten ein wenig die nächsten Tage. Zudem stellten wir fest, dass es in Siem Reap tatsächlich nicht sonderlich viel zu tun gab, abgesehen eben vom Besuch der riesigen Tempelanlagen um Angkor Wat. Eine coole Aktivität fanden wir aber doch noch für den Tag: Wir besuchten die Riesenratten bei apopo. Diese Ratten werden trainiert, Sprengstoff zu erschnüffeln und sind damit eine wichtige Unterstützung im andauernden Kampf gegen Landminen. Traurigerweise gibt es davon nämlich immer noch tausende aus den Indochina-Kriegen des 20. Jhd. und Kambodscha hat die höchste Rate an amputierten Gliedmaßen weltweit, da leider immer noch sehr viele Unfälle vorkommen.
Am Mittag hatten wir die Pub Street besucht und festgestellt – es war ja Halloween! Alle dekorierten ihre Bars und Clubs und wir hatten uns vorgenommen, dem Ganzen später noch einen Besuch abzustatten. Daher gönnten wir uns am Abend dann eine leckere Pizza vor Ort und zogen etwas durch die Bars, gönnten uns einiges vom lächerlich billigen Bier und hatten einen ziemlich guten Abend. Viele waren kostümiert, wir spielten Bierpong, tanzten und lernten einige Leute kennen. Es war wahnsinnig voll überall und was uns auffiel waren die Kinder. Jugendschutz scheint in Kambodscha so nicht zu existieren. Alleine in kleinen Gruppe oder mit den mutmaßlichen Eltern – in fast jeder Bar, auf nahezu jeder Tanzfläche tummelten sich einige Kinder, teilweise konnten sie gerade erst laufen. Das war schon sehr befremdlich.
Aufgrund der Nacht in der Pub Street ließen wir uns am nächsten Tag erst gegen Mittag von einem Tuk-Tuk-Fahrer einsammeln, der uns dann zunächst zum Ticket Office brachte. Wir besorgten uns einen Drei-Tages-Pass für die Tempelanlagen, der mit 62 USD pro Person ziemlich aufs Budget schlug. Wir starteten dann direkt mit dem bekanntesten Tempel – Angkor Wat selbst. Besuch mitten in der Mittagshitze, pro – es war sehr leer, contra – es war heiß, sehr sehr heiß.
Anschließend brachte unser Fahrer uns noch zu vier weiteren Anlagen, u.a. dem Ta Prohm Tempel, an dem auch Tomb Raider gedreht wurde, und dem Bayon. An einem weiteren Tempel schauten wir uns den Sonnenuntergang an. Diese Tempelanlagen sind schlicht überwältigend und man fragt sich ständig: Wie? Wie konnte so etwas ohne moderne technische Hilfsmittel vor vielen hundert Jahren erbaut werden? Jeder Tempel hat seine eigene Geschichte und die Guides, die hier arbeiten, tun das in der Regel auch nur für einen einzigen Tempel, da es ansonsten zu umfangreich wäre. Es wird viel in die Restaurierung und Instandhaltung investiert, auch von internationalen Organisationen, Geldgebern und Verbänden, aber gerade das halbwegs verfallene, die Teile, die sich die Natur zurück geholt hat, die haben bei uns eine noch stärkere Faszination ausgelöst.
Am nächsten Tag ließen wir uns bereits zur Öffnung am Morgen zu den Tempelanlagen bringen, auch wieder von einem Tuk-Tuk, die einen hier für 17 USD pro Tag herumfahren. An diesem Tag besuchten wir einige kleinere Tempelanlagen, die Terrace of the Elephants und einen Tempel, der nur über eine mehrere hundert Meter lange Brücke zu erreichen war.
Am letzten Tag ging es zum Sonnenaufgang noch einmal zum Haupttempel Angkor Wat und hier war es wirklich wahnsinnig voll. Da waren wir froh, dass wir die eigentliche Besichtigung bereits am ersten Tag gemacht hatten und schossen nur noch ein paar Fotos von außen.
Unsere verbleibende Zeit in Siem Reap verbrachten wir mit weiteren leckeren Smoothie Bowls und niedlichen Cafés und besuchten am letzten Abend noch eine Vorstellung des Phare Zirkus. Hier treten ausschließlich Artisten auf, Tiere kommen nicht zum Einsatz. Die Künstler sind vorrangig aus sehr armen Verhältnissen und werden durch Bildung und Training in die Lage versetzt, für sich und ihre Familien zu sorgen. Die Förderung beginnt hier schon im frühen Alter und so durften wir vor der eigentlichen Show auch die Performance einiger Kinder ansehen.
Unsere nächste Station in Kambodscha war die Hauptstadt Phnom Penh, wo wir wiederum mit einem Minivan hingelangten. Wahnsinnig viele touristische Highlights hält die Gegend gemäß unserer Recherche nicht bereit, aber es ist der „beste“ Ort, um sich mit der traurigen Geschichte Kambodschas zu befassen. Dazu besuchten wir in den kommenden Tagen das Tuol Sleng Genozid Museum und die Killing Fields Choeung Ek. Ein kurzer Abriss der Geschichte: In den 1970er Jahren gelangten die Roten Khmer um ihren Anführer Pol Pot in Kambodscha an die Macht. Ihr Ziel war die Errichtung eines kommunistischen Bauernstaates. Sie entvölkerten die Städte innerhalb weniger Tage und trieben einen großen Teil der Bevölkerung in ländliche Gegenden, wo sie Zwangsarbeit verrichten mussten. Viele Menschen wurden festgenommen und eingesperrt, z.B. eben in Tuol Sleng, früher Schule, heute das Museum, seinerzeit Gefängnis, Verhörraum, Ort für Folter und Tod. Bei den Verhaftungen hatten die Roten Khmer es vor allem auf die „neuen Menschen“ abgesehen – Lehrer, Künstler, Anwälte o.Ä. – eben die Stadtmenschen.
Ca. zwei Millionen, also ein Viertel der damaligen Gesamtbevölkerung Kambodschas bezahlte diesen Wahnsinn mit dem Leben. Einige in den Folterkammern des Regimes, viele bei den Gewaltmärschen aus der Stadt oder später unter den erbärmlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Zwangsarbeit. Aufgrund dessen fehlt Kambodscha fast eine gesamte Generation. Viele Menschen haben diese furchtbare Zeit selbst erlebt, Familienmitglieder verloren und sind nach wie vor schwer traumatisiert.
Am letzten Tag in Phnom Penh war ich nicht wirklich fit und so machte JP sich alleine auf den Weg, noch etwas die Innenstadt zu erkunden, war aber auch nach kürzester Zeit zurück im Hotel. Wir fanden noch ein leckeres indisches Restaurant und verbrachten dann auch mal einen Nachmittag auf dem Hotelzimmer.
Unsere letzte Station in Kambodscha war die Stadt Kratie direkt am Mekong. Die Fahrt war ziemlich ruppig. Während die Strecke zwischen Siem Reap und der Hauptstadt noch sehr gut ausgebaut war, war das Stück hoch nach Kratie eher Schotterpiste als Straße und nahm knappe sechs Stunden in Anspruch. Zu allem Überfluss hatten wir dann auch noch aus Versehen ein Zimmer ohne Klimaanlage gebucht und schliefen daher nicht wirklich friedvoll. Das lag in der ersten Nacht möglicherweise aber auch am Bier, das wir gemeinsam mit einer Spanierin auf der Terrasse des Hotels an diesem Abend noch vernichteten. Sie verriet uns nämlich ein Geheimnis über die Bierdosen in Kambodscha: Jede Dose war ein verstecktes Gewinnspiel. Zog man den Deckel ab, verbarg sich auf der Unterseite entweder der Gewinn einer weiteren Bierdose, den man einfach bei jedem x-beliebigen Kiosk einlösen konnte, oder eben eine Niete. Dieser Umstand zog den Abend in die Länge und senkte den durchschnittlichen Bierpreis auf schätzungsweise 20 Cent pro Dose.
Am folgenden Tag hatten wir (zum Glück erst für den Nachmittag) eine Kayak Tour gebucht und wurden gegen 13 Uhr von einem Tuk-Tuk eingesammelt. Wir fuhren zunächst Richtung Stadtausgang und drehten dann aber nochmal um, quasi fast zurück bis zu unserem Hotel und wir waren leicht verwirrt, da sich die Kommunikation mit dem Fahrer leider schwierig gestaltete. Zurück an dem Restaurant, wo wir die Tickets gekauft hatten, stellte sich heraus, dass wir spontan wohl doch noch Gesellschaft bekamen. Das war an sich gut für uns, denn der Preis für die Tour sank mit jedem verkauften Ticket für alle Beteiligten. Allerdings hieß das auch, dass wir uns mit vier Erwachsenen plus Fahrer in das Tuk-Tuk quetschen mussten. Und die Tour startete leider nicht kurz vor der Stadtgrenze. Wir mussten noch eine gute Stunde im Tuk-Tuk schwitzen, samt Zwischenstop am Kayak-Lager. Kurzerhand wurde nämlich das fehlende Kayak auf das Dach des Tuk-Tuks verladen, bis wir dann irgendwann am Treffpunkt ankamen, wo Mr. Lucky, unser Tourguide, bereits auf uns wartete.
Wir bekamen Schwimmwesten, einen Dry Bag, Hüte, Wasser und eine kurze Einweisung. Wir mussten nochmal auf Toilette und als wir uns umschauten, war uns eigentlich klar, dass es sowas hier im herkömmlichen Sinne nicht gibt. Trotzdem fragten wir Lucky und er deutete schlicht hinunter zum Flussufer und versicherte uns, dass er schon nicht hinschauen würde. Na gut.
Dann ging es aufs Wasser und uffff mussten wir paddeln. Diese Tour für Anfänger auszuschreiben, halte ich doch für gewagt. Es ging insgesamt so 12km den Fluss entlang und nicht selten musste gegen die Strömung gepaddelt oder irgendwelchen Bäumen ausgewichen werden. Wir machten noch Halt auf einer Art Insel im Fluss, wo wir unseren Snack bekamen. Dabei handelte es sich Sticky Rice mit schwarzen Bohnen, der in einem Bambusrohr zubereitet und dann mit Bananen gegessen wird – gar nicht übel. Dann ging es weiter zum eigentlichen Grund, warum wir uns bei sengender Sonne auf dem riesigen Mekong kaputt paddelten – die Irrawaddy Flussdelfine. Eine vom Aussterben bedrohte Art, die nur noch in Kambodscha und im Amazonas zu finden ist. Eine gute Stunde beobachteten wir sie, wie sie immer mal wieder in kleinen Grüppchen oder alleine auftauchten.
Das war wahnsinnig schön und die Anstrengung hatte sich definitiv gelohnt. Dann paddelten wir die letzten Kilometer im Sonnenuntergang zurück zum Ufer und wurden vom Tuk-Tuk wieder zurück zu unserer Unterkunft gebracht. Die Nacht verbrachten wir noch in Kratie, bevor am nächsten Tag wieder ein Grenzübergang anstand – mehr dazu dann im nächsten Artikel.
Wieder sehr schön geschrieben 😘