Zwischen Kräuterschnaps und Öl im Haar – eine Woche Ayurveda

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Abschiedsfotos

Ayurveda („Wissen vom Leben“) ist eine traditionelle indische Heilkunst, die bis heute viele Anwender in Indien, Nepal und Sri Lanka hat. (Wikipedia)

Wir hatten immer mal davon gehört, ich war während meiner Ausbildung zur Yogalehrerin auch damit in Berührung gekommen und nun wollten wir es wirklich wissen. Was hat es auf sich mit diesem Ayurveda? Und wo könnte man besser etwas darüber lernen, als in Sri Lanka? (Vielleicht Indien, aber nah genug dran, würde ich sagen) Daher buchten wir uns direkt für eine Woche in ein Ayurveda Retreat ein. Der Preis war so unschlagbar, dass wir bis zu unserer Ankunft sehr aufgeregt waren, ob es sich nicht doch um einen Scam handelte. Immerhin hatten wir bislang noch nichts bezahlen müssen, daher war das Risiko relativ gering. Wir hatten etwas Schwierigkeiten, das Gelände zu finden, da Google Maps hier nicht sonderlich präzise war. Empfangen wurden wir dann sehr herzlich von Lakeesha und Chinthaka, dem Ehepaar, das das Retreat in ihrem Haus betreibt. Es gab einen leckeren Zimttee und dann bekamen wir unser Zimmer gezeigt. Da stellten wir dann direkt fest, dass wir die einzigen Gäste sein würden. 

Am Abend folgte dann noch ein buddhistischen Ritual, damit unsere Behandlung erfolgreich sein würde und unsere „Anamnese“. Wir mussten einen Fragebogen zu allen möglichen gesundheitlichen Aspekten ausfüllen und wurden untersucht. Am Ende stand fest, dass wir beide ein Pitta-Kapha Dosha hatten, worüber Lakeesha sich sehr freute. Das bedeutete nämlich, dass wir das gleiche Essen gut vertragen würden, also weniger Aufwand beim Kochen für sie. Im Ayurveda gibt es die drei Doshas Pitta, Kapha und Vatta – Feuer, Erde und Luft. Dieses Dosha sagt etwas darüber aus, wie der Körper konstituiert ist und kann Aufschluss darüber geben, was einem gut tut und was nicht. Das kann von Ernährungsweise und Lebensmitteln bishin zu Jobs, Bewegung und generell Lebensstil gehen – sehr grob erklärt. Bei den meisten Menschen dominieren zwei Doshas gemeinsam. Dann gab es noch Abendessen, welches super lecker war. Im Retreat gab es ausschließlich vegane Kost für uns. Wir bekamen Linsen Daal, Roti aus Kokosnuss und Reismehl, verschiedene Gemüsesorten, natürlich Reis und einen kleinen Nachtisch aus Palmenzucker – alles sehr köstlich. Uns wurde noch der grobe Ablauf des nächsten Tages erklärt und dann hatten wir Freizeit, bzw. konnten schlafen gehen. Das Zimmer war recht simpel, aber geräumig. Das Bett war bequem, allerdings gab es keine Klimaanlage sondern nur Ventilatoren, woran wir uns bei der Hitze erst gewöhnen mussten. 

Wir schliefen besser als erwartet und am nächsten Morgen erwartete uns um 7:30 Uhr unser Frühstück als erster Punkt der Tagesordnung. Als allererstes mussten wir jeden Morgen ein Kräuter Porridge essen – eine Art Suppe mit Reis und jeden Tag variierenden Kräutern. Es war mindestens gewöhnungsbedürftig. An manchen Tagen recht akzeptabel, an anderen bekam ich das einfach nicht über den Zapfen und JP trank meine Portion für mich mit aus, damit ich mich dem restlichen Essen widmen konnte. Abgesehen vom Porige standen morgens Linsen Daal, Roti, Bananen und Reis auf dem Speiseplan. Nachdem wir aufgegessen hatten, erhielten wir immer unsere Medizin. Verschiedene Tabletten und kleine Kräutertränke nahmen wir dann unter Aufsicht zu uns. In der ayurvedischen Medizin werden alle Heilmittel auf ausschließlich pflanzlicher Basis hergestellt. 

Der Tagesablauf im Retreat war jeden Tag ähnlich. Nach dem Frühstück ging es mit der ersten Behandlung los. Diese fanden in einer überdachten Lehmhütte im Garten des Geländes statt, in der es angenehm kühl war. Es gab jeden Tag eine Kopfmassage mit anschließendem Shirodhara. Während man auf einer Liege liegt, wird aus einem Gefäß über dem Kopf stetig Öl über die Stirn und Haare gegossen. Die zweite Behandlung des Tages fand immer am Nachmittag statt. Es gab eine Ganzkörpermassage, an deren Anschluss wir mit Beuteln abgetupft wurden. Diese enthielten entweder Kräuter oder Milchreis. Chinthaka und Lakeesha arbeiten neben dem Betrieb ihres Retreats jeweils in ayurvedischen Krankenhäusern, daher kam noch eine zusätzliche Ärztin jeden Tag zu uns und die beiden wechselten sich ab.

In der Zeit zwischen der ersten und zweiten Behandlung des Tages hatten wir immer eine Art Workshop, bevor es Mittagessen gab. Am ersten Tag haben wir gemeinsam Linsen Daal gekocht, und zwar von der Pike. Kokosmilch kennen wir für 1,19€ für 400ml aus dem Regal vom Lidl. Hier in Sri Lanka? Handarbeit! Die Kokosnuss wird halbiert, dann geht es ans Ausschaben mit einer Apparatur, die am Tisch befestigt wird. Das Fruchtfleisch wird dann in einer Schüssel mit etwas Wasser vermengt und per Hand ausgepresst. Für 400ml wäre man vermutlich über zwei Stunden beschäftigt, aber so viel brauchten wir für unser Daal zum Glück nicht. Wir kochten das Ganze dann im Hof auf offenem Feuer in Tonschalen und durften es anschließend zum Mittag essen. Selbst gemacht schmeckte es irgendwie nochmal ein wenig besser. Immerhin steckte der Schweiß der handgemachten Kokosmilch drin – nom. In einer zweiten Kochstunde im Laufe der Woche lernten wir dann, die Rotis aus Reis- und Kokosmehl herzustellen.

An anderen Tagen erhielten wir mittags kleine Vorlesungen über den Ursprung von Ayurveda, unterschiedliche Behandlungsmöglichkeiten oder Details über die verschiedenen Doshas. In Sri Lanka wird die ayurvedische Medizin sehr hoch angesehen. Es gibt reguläre „westliche“ Krankenhäuser, die mit uns bekannten Heilmethoden arbeiten und normale Medikamente aus der Pharmakologie verwenden und eben ayurvedische Krankenhäuser, die ausschließlich mit pflanzlichen Heilmitteln arbeiten. Ayurveda legt einen großen Fokus auf Ernährung, Bewegung, geistige Gesundheit und Prävention – etwas, das meiner Meinung nach bei uns im Westen häufig zu kurz kommt. Patienten mit einem offenen Bruch werden aber natürlich in ein westliches Krankenhaus überstellt und erhalten keinen Kräuterschnaps, höchstens zusätzlich. Patienten aber, die mit bspw. Migräne oder Magen-Darm-Beschwerden in ein westliches Krankenhaus gehen, werden oft in die Ayurveda überstellt. 

Einmal machten wir am Mittag einen Spaziergang durch den weitläufigen Garten des Geländes, um Kräuter für unser Essen zu suchen. Wir wären aufgeschmissen gewesen, aber Lakeesha bückte sich gefühlt alle drei Meter und pflückte etwas. Sie zeigte uns die Bananenpalmen, Limettenbäume, Zimtbäume, sowie verschiedene Sträucher und Kräuter, die wir auch bereits gegessen hatten. 

Einen anderen Tag erhielten wir eine Präsentation zu unterschiedlichen Kräutertees und ihrer Wirkung. Von unserem geliebten Zimttee, über Butterflypea Tee bishin zu Koriandertee (würg?) war alles dabei. 

Nach unserer zweiten Behandlung am Nachmittag war es immer Zeit für eine Meditation. Wir praktizierten zudem unterschiedliche Atemtechniken wie Brahmari (Humming Bee) und Nadi Shodana (Wechselatmung). In der Meditation wurden wir am Anfang von Chinthakas Mutter angeleitet. Seine Eltern leben nämlich mit im Haus und die Familie teilt sich das gesamte Gelände. Sein Vater, mit Mitte 80 immer noch wahnsinnig fit und aktiv, war jeden Tag im Garten unterwegs und kümmerte sich um Unkraut, erntete Kokosnüsse und goss Pflanzen. Nach der Meditation hatten wir immer ca. zwei Stunden Freizeit. Manchmal gingen wir an den Strand, oft nutzten wir die Zeit auch auf dem Gelände zum Lesen oder für die Hochzeitsplanung.

Ein Highlight war auch direkt der zweite Tag im Retreat. Es war mein Geburtstag und am Abend hatte die Familie eine Überraschung vorbereitet. Ich bekam einen (nicht ayurvedischen) Kuchen, Haarschmuck, und ein kleines Geschenk, sie hatten mit Ballons und Kerzen dekoriert und sangen ein Geburtstagslied für mich. Dann wurden ziemlich viele Fotos von uns gemacht und wir durften den Kuchen bei einem Zimttee essen. Das war wahnsinnig rührend, das ganze Zeug hatten sie nur für mich besorgt, da Geburtstage in Sri Lanka nicht wirklich gefeiert wurden. Lakeesha erzählte, dass es manchmal einen Kuchen geben würde, aber in der Regel nur für den guten Zweck gespendet wird und es keine Geschenke gebe. 

Ein weiteres Highlight im Retreat waren die tierischen Bewohner des Geländes. Zunächst war da Bella, die Hündin der Familie. Wir mussten immer aufpassen, dass unsere Zimmertür geschlossen war, denn Bella hatte eine merkwürdige Obsession mit diesem Raum. Bei jeder Gelegenheit sprintete sie winselnd hinter uns her, wenn sie vermutete, dass wir ins Zimmer gehen würden. Am Anfang passten wir nicht auf und sie lag dann hinter unserem Bett und wollte das Zimmer einfach nicht mehr verlassen. Neben Bella gab es einige Affen, einen Pfau, Mungos, interessante Vögel und Bindenwarane. 

An manchen Abenden saßen wir lange mit Chinthaka und Lakeesha zusammen und tauschten uns über Gott (eher Buddha) und die Welt aus. Vieles, was wir über unser Leben in Deutschland erzählten, kannte Lakeesha nur aus Filmen und bei diesen Gesprächen wurde uns einmal mehr bewusst, in was für einem unglaublich reichen Land wir leben, in dem wir riesige Privilegien genießen. Wir erfuhren viel über das Familienleben in Sri Lanka, die Politik, die starke Inflation und die daraus resultierenden Probleme. Wir halfen den beiden noch dabei, ein wenig die Webseite zu optimieren. JP bügelte einige Bugs aus, ich korrigierte einige Rechtschreibfehler und formulierte ein paar Texte um. Chinthaka hatte diese Webseite in kompletter Eigenregie erstellt, was ziemlich beeindruckend ist, da er eben nicht nur WordPress genommen, sondern wirklich programmiert hat.  

Am letzten Tag wurden wir in traditionelle Kleidung eingepackt und Lakeesha verteilte sehr viele Blumen. Es gab eine letzte Behandlung, bevor wir unsere buddhistische Abschiedszeremonie erhielten. Dann hatten wir quasi ein Fotoshooting und sie freute sich fast mehr darüber als wir. Alle möglichen Winkel, Hintergründe, nochmal in Bananenblätter im Behandlungsraum einpacken – richtige Content Creatorin am Werk. Zum Abschied bekamen wir außerdem noch eine Packung Ceylon Zimtstangen aus dem Garten geschenkt, die wir bis jetzt (drei Monate später) hüten und im Rucksack immer gut einpacken, damit sie nicht zu sehr zerbrechen. Dann bezahlten wir für die Woche in bar und Lakeesha wollte nicht einmal nachzählen. Wir teilten uns mit ihr ein Tuk Tuk nach Weligama, weil sie dort zur Arbeit musste, wir fuhren anschließend weiter nach Mirissa. Das war eine unvergessliche Woche und ich glaube, kaum woanders hätten wir so einen kulturellen Einblick erhalten, als bei dieser Familie. Wie es für uns in Sri Lanka weiterging – dazu mehr im nächsten Beitrag.